III. Untersuchung der praktischen Anwendung von Homerecording-Systemen in den 80er Jahren
Heimstudioarbeit ist in den 80er Jahren sehr vielfältig
geworden. Musiker stellen sich gemäß ihren Ansprüchen
ein individuelles Studio zusammen und nutzen die Technik
auf mitunter sehr unterschiedliche Weise. Diese Untersuchung ist nicht repräsentativ und erhebt daher auch keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Dennoch wurde die Auswahl der Personen nicht willkürlich getroffen. Alle acht Musiker stammen aus dem persönlichen Umfeld des Verfassers, der versucht hat, möglichst unterschiedliche Beispiele anzuführen, insbesondere hinsichtlich folgender Kriterien:
Die ausgewählten Personen sind bis auf eine Ausnahme
zwischen 28 und 38 Jahre alt(241) und beziehen allesamt ihre
musikalischen Grunderfahrungen aus solistischem und
kollektivem instrumentalen Spiel, auch schon vor ihrer
aktiven Heimstudio-Zeit.
Auch haben die meisten mit der Multiplay-Funktion der
Tonbandgeräte 'gespielt', um z.B. die eigene Stimme
im 'Solo-Duett' aufzunehmen o.ä.. Individuelle Arbeitsweisen und erweiterte musikalische Zielsetzungen machen sich bei jedem der vorzustellenden Homerecordisten erst ab dem Zeitpunkt bemerkbar, wo sie die Mehrspurtechnik für sich gewinnen. So bezieht sich folgende Untersuchung im wesentlichen auf Anwendungen mit 4-/8-Kanal-Tonbandgeräten und MIDI-Recordern.
Heutige Homerecording-Anfänger, die nach der Einschätzung
Hermann Bäumkers frühestens ab dem 20. Lebensjahr
damit beginnen, sich ein eigenes Heimstudio aufzubauen(244),
sind in der nachfolgenden Untersuchung nicht vertreten.
In mehreren erfolgten Kurzgesprächen mit entsprechenden
Personen erwiesen sich mir ihre Aussagen als zu substanzarm,
da sie m.E. ihr Schaffen (noch) nicht reflektieren konnten.
Wie sich jedoch herausstellte, sind die
Arbeitsweisen und Anwendungsbereiche heutiger
Heimstudio-Anfänger denen der im folgenden vorgestellten
Homerecordisten (in entsprechend früheren Phasen) prinzipiell
sehr ähnlich, so daß sie m.E. durchaus vergleichbar
sein dürften. In beiden Gruppen wird z.B. anfangs
mit einem 4-Kanal-Bandgerät umgegangen. Hingegen gibt es eine relativ kleine Gruppe von jungen Musikern, die ausschließlich mit elektronischen Musikinstrumenten aufgewachsen sind, wenig oder gar keine Erfahrung im kollektiven Spiel (Orchester, Bands, etc.) haben und erweitertes praktisches Musizieren nur mit einem MIDI-Recording-System verwirklichen.(245) Diese Personen sind nicht durch herkömmliche Musizierweisen vorbelastet und können so eine völlig neue Herangehensweise an Musik für sich entwickeln. Es mag bestimmt einige Parallelen zu den Amateur-Elektronikmusikern der 70er Jahre geben, doch betrachtet man allein die Tatsache, daß mit einem modernen Sequencer der Zugriff auf praktisch jeden musikalischen Parameter zu beliebiger Zeit möglich ist, so stellt diese sich wahrscheinlich zunehmend herausbildende neue Homerecording- Anwendergruppe einen interessanten Gegenstand für eine eigene Untersuchung dar.
* Entwicklung des Heimstudio-Equipments über die Jahre * Typische Arbeits- und Vorgehensweisen * Musikalisches Ziel und Verwendungsbereiche der Aufnahmen * Entwicklung der eigenen Musik durch Homerecording.
(36, Musiker und Gitarrenlehrer in Osnabrück)
Neben seiner Tätigkeit als Musiklehrer befaßt sich
Günther schon seit über zehn Jahren mit Eigenkompositionen.
Es handelt sich dabei ausschließlich um Musik für
akustische Instrumente und vokale Stimmen, das Spektrum
reicht von klassischer Musik (z.B. Werke für Streichorchester
und Klavier) über Jazz (Big-Band-Arrangements)
bis zu Musicals und 'Liedermacher'-Songs. Letztere führt
Günther auch selbst in Konzerten auf, entweder solo oder
zusammen mit einer Band. "Doch bei Orchesterproben oder Demo-Aufnahmesessions in Studios war es immer sehr schwierig für mich, die vorkomponierten Stücke weiterzuformen, jedenfalls kostete es immer viel Zeit und Nerv. Das erwog mich dann 1985, mir ein kleines 4-Kanal-Portastudio zuzulegen, ergänzt durch ein Hall- und Echo-Gerät. Nun brauche ich nicht auf den Moment der Orchesterprobe zu warten, um meine Kompositionen im Zusammenhang hören zu können, da die Mehrkanal-Aufnahmen für mich eine vorherige Kontrollmöglichkeit bedeuten. Ich kann hören, ob 'die Noten sich mögen'." Eckhardt Günthers Heimstudio-Equipment besteht außer den schon genannten Geräten lediglich noch aus einem Mikrofon und einem Chorus-Effekt für die Gitarren.
"Bei den Bandaufnahmen instrumentiere ich die Stimmen
der Partitur im Anfangsstadium meist nur mit Gitarren
und Gesangsstimmen, also mit Mitteln, die ich beherrsche.
Möchte ich etwa Streicher- oder Bläserstimmen umsetzen,
lade ich befreundete Musiker zu mir nach Hause ein, die
mir mit Synthesizern die jeweiligen Parts auf die
Tonspuren einspielen. Das ist letztendlich doch effektiver,
als wenn ich selbst versuche, diese Sachen mit
geliehenen Instrumenten zu spielen und aufzunehmen. Ich
merke zwar, daß ich mir durch eigenes Probieren die Welt
der Tasten schon mehr erschlossen habe, doch werde ich
nie ein besserer Keyboarder sein. Schon allein dem Sound
wegen: Ich betrachte Synthesizer- und auch Samplerklänge
immer als Surrogat für akustische Instrumente."
Selten komponiert Günther ein Stück mit Hilfe des
Portastudios, es sei denn, er probiert Gesangsarrangements aus:
"Indem ich zu bereits aufgenommenen Stimmen eine neue
live dazu singe, finde ich nach einigen Versuchen die
passende neue Linie. Oft ergibt sich dabei eine sehr
eigenwillige Stimmführung. Doch meistens entsteht die
Musik im Herz und im Kopf, und ich schreibe sie direkt
auf Papier. Die Aufnahmen dienen - wie gesagt - der
Nachkontrolle, um eventuell Kleinigkeiten zu
korrigieren. Im Grunde geht es bei einer Aufnahme immer
nur um die Notenwerte generell, da Dynamik, Agogik und
andere musikalische Feinheiten auf einem Tonband kaum
zur Geltung kommen.
(30, Musiker und Klavierlehrer in Osnabrück)
Seit den 70er Jahren ist Jan Schäfer live-musikalisch
als Keyboarder und Sänger aktiv. Früher spielte er in
diversen Blues- und Rockbands, heute arbeitet er mit
einem Jazz-Trio und einer eigenen Popgruppe.
Bis 1982 benutzte Schäfer ein Tonbandgerät, um kleine
Ideen aufzunehmen und so festzuhalten.
Das änderte sich, als Schäfer ab 1984 mit einem
Portastudio arbeitete: Nun standen ihm vier Tonspuren
zur Verfügung, die zudem noch nachträglich ausgebessert
werden konnten. Auch eröffnete sich ihm eine neue
Kontroll-Möglichkeit:
Eine ähnliche Technik verwandte Schäfer ebenfalls bei
den ersten mehrspurigen Aufnahmen seiner eigenen Kompositionen.
Der kalifornische Studio-Drummer David Crigger
hatte seinerzeit Schallplatten auf den Markt gebracht
("Drum-Drops"), auf denen er komplette Songabläufe
allein auf dem Schlagzeug spielt, und zwar in den verschiedensten Rhythmus-Stilen.
Seit 1985 arbeitet Jan Schäfer mit einer größeren
Vierkanal-Bandmaschine und einem MIDI-Sequencersystem
(Computer & Software). In der Peripherie stehen ihm ein
Echo-Unit sowie ein kleines digitales Hallgerät zur
Verfügung.
Bei der Produktion der Musik geht Schäfer meist wie
folgt vor: Jan Schäfer stellt fest, daß sich seine Arbeitsweise seit den ersten 'MIDI-Tagen' verändert hat:
"Früher habe ich die Playbackstimmen mit den Synthesizern
direkt in einem Fluß in den Sequenzer gespielt, ein
nachträgliches Bearbeiten war mir einfach zu umständlich.
Lieber habe ich da das Ganze mehrmals wiederholt,
bis ich mit dem Take zufrieden war.
Dagegen kristallisiert sich heute eine viel mehr konstruierende
Vorgehensweise heraus, da ich oft weite
Teile des aufgenommenen Materials neu bearbeite und in
Kleinstarbeit perfektioniere. In letzter Zeit habe ich
mir die vielschichtigen Editierverfahren, die einem der
MIDI-Recorder anbietet, in nächtelangen Studien angeeignet
und beherrsche sie mittlerweile so gut, daß ich
zügig arbeiten kann, ohne zwischendurch in der Bedienungsanleitung
nachsehen zu müssen. Allerdings liegt das
auch daran. daß die heute verfügbaren Sequencerprogramme
äußerst übersichtlich, einfach und zuverlässig zu
bedienen sind, ganz im Gegensatz zu denen früherer Tage.
Es ist für mich fast schon zur Selbstverständlichkeit
geworden, einzelne programmierte Teile eines Songs zu
kopieren und auf Knopfdruck aneinanderzufügen. Das läßt
die Musik zwar schneller entstehen, jedoch habe ich den
Eindruck, daß bei meinen früheren, direkt eingespielten
Aufnahmen die Atmosphäre eines Songs mehr gewahrt wurde.
Heute verliere ich mich zu gerne in Kleinigkeiten, will
dies und jenes noch verändern und ausbessern und verliere
leicht den Überblick über den großen Spannungsbogen
des jeweiligen Stückes.
(36, Schlagzeuglehrer und Percussionist in Osnabrück)
Das Schlagzeugspiel begleitet Joachim Luhrmann schon
seit seiner Jugend in den späten 60er Jahren. Bis in die
80er Jahre hinein war er in verschiedenen Blues- und
Folkrock-Bands aktiv, machte ausgedehnte Konzerttourneen
und spielte zahlreiche Schallplatten mit den jeweiligen
Gruppen ein. Erste eigene Aufnahmen mit einem Tonbandgerät fallen in die Mitte der 70er Jahre. Luhrmann führt hierfür ein typisches Beispiel auf: "Oft nutzte ich die Multiplay-Funktion meines Bandgerätes, um Gesangsstimme und Schlagzeugspiel zu trainieren. Dazu überspielte ich als erstes ein Stück von Schallplatte auf Tonband, meist Musik des von mir damals favorisierten Soul-Musikers Stevie Wonder. Im Playbackverfahren nahm ich dann meinen eigenen Gesang ergänzend zum Original auf, entweder parallel zur Gesangslinie Stevies', als harmonierende Zweitstimme oder in improvisierten Figuren. Unterstützt wurde das Ganze noch durch meine 'Trommeleinlagen' auf den Bongos. Durch Experimente solcher Art habe ich viel über musikalische Zusammenhänge und Timing gelernt." 1978 kaufte sich Luhrmann eine Vier-Kanal-Bandmaschine und ein elektrisches Piano und begann damit, sich ein kleines Heimstudio aufzubauen.
"Es hatte mich immer schon gereizt, ein Harmonieinstrument
spielen zu können, um meine musikalische
Ausdrucksmöglichkeit über das Schlagzeugspiel hinaus
zu erweitern. Durch ein E-Piano konnte ich schnell und bequem an
wohlklingende Klänge kommen und außerdem meinen Gesang
begleiten. Das motivierte mich enorm, mein Tastenspiel
auf autodidaktischem Wege weiter zu vervollkommnen. Die
Mehrspurtechnik war eine Herausforderung für mich,
selbstbescheidene Fingerfertigkeiten dafür zu verwenden,
einfache Songharmonien auf Band zu spielen. So entstanden meine
ersten Kompositionen, arrangiert für Piano,
Gesang und ein paar Trommeln. Mit der Zeit wurde mein
Tastenspiel versierter und die Stücke immer interessanter,
auch setzte ich zunehmend einen monophonen Synthesizer
ein - meist für die Baßfiguren. Anfang der 80er Jahre erweiterte Joachim Luhrmann sein Homerecording-Equipment und legte sich eine Acht-Kanal- Maschine, ein großes Mischpult sowie Hall/Echo-Geräte und bessere Mikrofone zu. Als weiteres Instrument kam ein poliphoner Synthesizer hinzu, an programmierten Drum-Sounds hingegen ist der Schlagzeuger bis heute nicht interessiert: "Wozu auch? Ich werde immer mein 'eigendynamisches' Spiel aufnehmen wollen, die Trommel ist schließlich mein persönlichstes Ausdrucksmittel. Auch kann kein Drumcomputer die klanglichen Feinheiten von Percussion-Instrumenten so wiedergeben, wie ich sie empfinde [Luhrmann besitzt eine vielfältige 'exotische' Sammlung von Percussionsinstrumenten - d.Verf.]. Jedoch verwende ich oft eine kleine Rhythmus-Maschine für den Click-Track, praktisch als Metronom. Was die Echo- und Hallgeräte betrifft, schätze ich es sehr, mit ihnen zu experimentieren, z.B. indem ich Echoschleifen herstelle oder ein Instrument extrem verhalle. Mittlerweile verfüge ich über digitale 'Raumsimulatoren', die die Qualität einer Aufnahme noch steigern können, wenn ich die Tonspuren räumlich bearbeite. Mein 8-Kanal-Studio läßt so mitunter Produktionen entstehen, die ich ohne weiteres anbieten oder verkaufen kann - vorausgesetzt natürlich, die Musik stimmt." So finden Luhrmanns Aufnahmen bisweilen professionelle Verwendung:
* Seine selbstproduzierte instrumentale
Synthesizermusik, meist mit ziemlich
einfachen Melodie- und Harmonie- Strukturen,
doch rhythmisch sehr vielfältig
instrumentiert und arrangiert, dient der
Industrie zur Untermalung von Werbefilmen.
Nach wie vor arbeitet Joachim Luhrmann zu Hause an
Produktionen eigener Song-Kompositionen:
Luhrmanns jüngste Errungenschaft ist ein "Exciter"(250),
der den Abmischungen noch den "letzten Glanz" verleiht. Joachim Luhrmann sieht, wie die Grenze zum professionellen Studio allmählich verwischt und hofft darauf, einmal als Produzent und Tonmeister seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
(28, Musiker in Freiburg)
Mike Lindinger, Pianist und elektronischer Keyboarder,
spielt seit über 5 Jahren professionelle Tanzmusik in
kleinen Combos oder als 'Einmann-Band'. Das berufliche
Musizieren trennt er klar von seiner Leidenschaft,
Jazzmusik zu komponieren und zu arrangieren. Zwar probt
er gelegentlich seine eigenen Werke mit anderen Musikern
ein, doch soll das Zusammenspiel den Beteiligten nur
private Freude bringen.
Erste Erfahrungen mit Homerecording in Mehrspurtechnik
machte Lindinger 1981, als er sich ein Portastudio
anschaffte, das gerade neu auf den Markt gekommen war.
Zu dieser Zeit arbeitete er als Fachverkäufer und
Instrumentenvorführer in einem Orgel- und Klavier-
Geschäft:
Seit 1985 arbeitet Lindinger fast ausschließlich mit
einem mehrspurigen Sequencer:
Für Lindingers Eigenkompositionen fungiert der MIDI-
Recorder lediglich als Gedächtnisstütze, die Kompositionen
werden in 'real-time' eingespielt und bleiben meistens unquantisiert.
Er verzichtet auch auf differenzierte klangliche und räumliche Nachbearbeitung: Die Aufnahmen seiner Stücke legt er im Archiv ab, nach Belieben kann später daran weitergearbeitet werden - hauptsächlich in Form und Arrangement:
"Klanglich ausgefeilte Demos entstehen eigentlich nie.
Z.B. habe ich früher äußerst ungern das Ping-Pong-
Verfahren eingesetzt, um mehr Stimmen auf Band zu
bekommen, da die Klangqualität dabei für meine Begriffe
erheblich leidet, der Druck läßt einfach nach. Durch
Sequencerarbeit wird dieses Problem ja prinzipiell ausgeschaltet,
nur müßte ich zur Verwirklichung guter
Aufnahmen eine '1A'-Mastermaschine und bessere Peripheriegeräte
haben. Auch brauchte ich mehr Expander-Module,
um die Stimmen einzeln belegen zu können.
(31, Musiker und Gymnasiallehrer in Oldenburg) Ulrich Frankenberg ist schon seit Anfang der 70er Jahre als Schlagzeuger in Jazz- und Rockbands aktiv, abgesehen von einigen kurzen 'semiprofessionellen Zeiten', vorwiegend als Amateur. Doch seit ca. vier Jahren ist es für ihn schwierig geworden, Mitmusiker zu finden, um zusammen als Band eine intensive musikalische Arbeit zu verfolgen: "Auf meinem bisherigen Weg hat sich für mich ein Musik- Stil und eine Einstellung dazu entwickelt, die ich nur mit sehr wenigen anderen Musikern teilen kann. Ich habe gemerkt, daß gerade die Leute in meinem Alter sich entweder mehr und mehr aus der aktiven Musikszene zurückziehen oder sich auf sehr individuelle Spielarten spezialisieren, so wie ich z.B. auch. Da ich nun an eine Stadt gebunden bin und nicht weiter 'ausschwärme', um gleichgesinnte Leute zu finden, bleibt mir momentan nichts anderes übrig, als mit mir selbst zu spielen." Aus diesem Grund beschäftigt sich Frankenberg seit 1984 in seinem Heimstudio, das aus einem Portastudio, mehreren Hall- und Echogeräten sowie einer Abhöranlage besteht. Um Musikaufnahmen neben dem rhythmischen Spiel auch harmonisch und melodisch gestalten zu können, hat er sich die Grundlagen einiger Instrumente angeeignet. Der Umgang mit Gitarre, Saxophon und poliphonem Synthesizer ermöglicht ihm zugleich, Musik einmal von einer anderen Warte aus begreifen zu lernen. "Im Grunde strebe ich eine sehr einfach aufgebaute Musik an, die viel Raum für das improvisierte, freie Spiel läßt. Mit dem Portastudio komponiere ich eigentlich keine Stücke, sondern ich spiele einfache Grundsequenzen, verschiedene Akkorde - meist lang ausgehalten und sich wiederholend - sowie sehr sparsame Drumcomputer-Patterns auf die Tonspuren ein. Abgesehen davon, daß ich kompliziertere Sachen aufgrund meiner technischen Fertigkeiten nicht realisieren könnte, liebe ich diese Art von monotoner, meditativer Musik. Zu diesen fließenden Klängen vom Band improvisiere ich mit verschiedenen Instrumenten, meistens mit Gitarre und Schlagzeug." "Da ich in unserer Mietwohnung wirklich nur sehr leise musizieren kann, gerade zur Abend- und Nachtzeit, habe ich mir ein spezielles Rhythmus-Set zusammengebastelt: Über anschlagdynamische Pads, wie man sie von elektronischen Schlagzeugen her kennt, sowie selbstgebauten Schlagkörpern, die mit Kontaktmikrofonen ausgerüstet sind, steuere ich auf MIDI-Basis beliebige Klänge des Drumcomputers an. So kann ich das eigene Schlagzeugspiel zu den Portastudio-Aufnahmen mischen und mache auf diese Weise meine Musik." Effektgeräte haben für Frankenberg eine große Bedeutung: Nach wie vor strebt es Ulrich Frankenberg an, mit gleichgesinnten Musikern in einer Gruppe zu spielen und zu konzertieren. Er sieht die Arbeit im Heimstudio als eine Übergangszeit an, in der er zweifelsohne eine Menge für sich selbst lernen und erfahren kann. (28, Musiker und Filmmusikkomponist in Berlin) Christoph Oertels musikalische Laufbahn begann Mitte der 70er Jahre. Gitarre, Baß und sein Hauptinstrument, das Schlagzeug, lernte er auf autodidaktischem Wege, aktiv musikalisch tätig war er zumeist in der Gruppe, z.B. in Rock-, Jazz- und Reggaebands. Nachdem er bei einem befreundeten Musiker die Arbeit im Heimstudio kennengelernt hatte und dort viele 4- Spur-Aufnahmen unter seiner Mitwirkung entstanden waren, nahm seit 1983 der schrittweise Aufbau eines eigenen Studios seinen Anfang:
"Der Beginn des Homerecording fiel in eine Zeit, als
ich mich musikalisch neu orientieren und mehr melodische
und harmonische Aspekte der Musik lernen wollte. Als
neues Instrument hatte ich mir Anfang der 80er Jahre ein
Klavier angeschafft und darauf im Selbststudium schon
einige Fortschritte erzielt. Neben der akustischen
Gitarre war es ein wichtiges Instrument für mich geworden,
um allein zu Hause zu spielen und auch kleine
Lieder zu komponieren. Mit dem Portastudio konnte ich
solche Stücke aufnehmen und sie auf den verbleibenden
Tonspuren durch andere Instrumente oder Gesangsstimmen
erweitern.
Einzelne Gesangspassagen wurden unter der Bettdecke, in
der Besenkammer oder im Hausflur realisiert, manche
Tonspuren nahmen wir rückwärts auf Band auf, wir spielten häufig mit dem Effekt der veränderten Bandgeschwindigkeit,
machten vom Ping-Pong-Verfahren regen Gebrauch
und Vieles, Vieles mehr. Ich könnte gar nicht alles
aufzählen, jedenfalls sind wir an Musikaufnahmen
herangegangen wie unschuldige Kinder. Oertels frühe Homerecording-Produkte lassen sich zwei unterschiedlichen Verwendungsbereichen zuordnen:
1. Musikalische Ideen wurden mit Hilfe des Portastudios
instrumentiert, arrangiert und nach einem
bestimmten Ablaufschema ausgeführt.
Diese Aufnahmen dienten Oertels Rock- und später
der Reggaeband als Vorgabe zur livemusikalischen
Umsetzung. Mit der Zeit setzte sich Christoph Oertel intensiv mit der Beschaffenheit von Klängen auseinander, drang tiefer in ihr Wesen ein und gelangte so zu einem ihm neuen Musikverständnis und damit zu einer eigenständigen Ausdrucksform. "Die von der Industrie angebotenen Klänge von Synthesizern und Drumcomputern begannen mich zu langweilen, ja mein Nervenkostüm zu zerrütten. Das ist akustischer Müll! Mich interessiert der vorgebliche Müll, also im Alltag gesammelte Klänge und Geräusche, die ich durch Auswahl, Mischung, Verfremdung und Bearbeitung versuche zu 'veredeln' und so zu musikalisch wertvollen Klängen 'aufzubereiten'. Ich sehe mich quasi als akustischen Alchimisten, oder anders gesagt: Homerecording ist für mich eine Fortsetzung der 'Musique Concrete' im digitalen Zeitalter. Mich sprach z.B. die Eigenqualität eines sich immer wiederholenden Klanges an, wie z.B. ein 'Hänger' auf einer Schallplatte, oder ich verfolgte die klangliche Entwicklung eines Tonsignals, das über ein Bandecho-Gerät geschickt wird, und mit zunehmenden Wiederholungen immer dumpfer, verzerrter, verfremdeter und so auch eigenständiger wird. Solche Klänge benutzte ich als Ausgangsmaterial für experimentelle Musikstücke, nahm sie auf Band auf, ergänzte sie durch weitere Instrumente und komponierte praktisch somit direkt auf das Portastudio. Die Möglichkeit der Korrektur oder der nachträglichen Veränderung war ja immer gegeben, so daß die Musik bis zu ihrer endgültigen Form heranreifen konnte." Christoph Oertel vertonte Mitte der 80er Jahre mehrere Experimentalfilme mit der von ihm produzierten Homerecording-Musik und schuf mit Hilfe des Portastudios Klangkompositionen, die von 'Avantgarde-Ensembles' live bei Konzerten oder Klanginstallationen aufgeführt wurden. Seit zwei Jahren arbeitet er zunehmend mit elektronischen Klangspeicher- und Klangbearbeitungsgeräten, z.B. mit Sound-Samplern, digitalen Hallgeräten und Mischpulten. Neben dem Portastudio verwendet er einen Computer, der anhand eines Sequencerprogramms als zusätzliche Aufnahmemaschine fungiert. Phantasievolle, experimentelle Arbeitsweisen haben sich bis heute erhalten, Oertel überträgt sie heute neben seinen alten Methoden auch auf den Umgang mit digitalen Geräten. "Bei mir hat sich das Interesse herauskristallisiert, die Technik artfremd zu benutzen. Ich 'vergewaltige' die Geräte, lasse sie nicht normal funktionieren und reize sie aus. So gelange ich in Grenzbereiche, die sich für mich oft als faszinierend und eigenständig darstellen. Auch bei der Arbeit mit dem Sequencer oder beim Experimentieren mit Drumcomputern oder digitalen Hallgeräten ergeben sich klangliche 'Zufälle', die ich bei Homerecording-Aufnahmen verwende, sie weiterverarbeite, ergänze und das Ganze zu einem End-Produkt gestalte. Ich möchte hierfür einmal kurz ein Beispiel aufzeigen:
Um einen außergewöhnlichen, geheimnisvollen und
irritierenden Klang zu erreichen, den ich für eine
Theaterproduktion brauchte, experimentierte ich mit einem
Drumcomputer und einem Hallgerät. Ein programmiertes
Rhythmus-Pattern bearbeitete ich mit einer extrem langen
Halleinstellung, zeichnete jedoch nur das Effektsignal
auf, das Originalsignal war also nicht hörbar. Dadurch,
daß die kurzen, percussiven Klänge im Hall verschwommen
und ineinander übergriffen, entstand eine Art sich
bewegender Klang, den ich durch Filtrierung am Mischpult
noch soweit beeinflussen konnte, bis ich den Klangcharakter
akzeptierte und so das gewünschte Ergebnis
erhielt. Das Portastudio dient Christoph Oertel mittlerweile nur noch zum Festhalten von experimentellen Vorarbeiten einer Komposition. Akustische Instrumente und Stimmen können damit aufgezeichnet werden, für Sampler und andere MIDI-fähige Klangerzeuger zieht er heute meistens den Sequencer heran. Soll die Musik für professionelle Zwecke verwendet werden, muß er aus Qualitätsgründen in einem besseren Studio als dem eigenen produzieren.
"Ich hoffe, mir bald eine gute Mastermaschine leisten
zu können, vielleicht sogar einen DAT-Recorder. Bei
ausschließlicher Arbeit mit MIDI-Instrumenten und -geräten
könnte ich dann die Musik bis zum Endprodukt in Ruhe zu
Hause erstellen.
(38, Musiker und Komponist in Preetz bei Kiel) Der Pianist Thilo von Westernhagen ist seit Mitte der 70er Jahre professioneller Musiker. Stilistisch bewegt er sich im Bereich des melodiösen Jazz und Jazzrock, dabei sind Einflüsse traditioneller Musikformen - von der Gregorianik bis zur Romantik - nicht zu verleugnen. Westernhagen tritt solo auf, spielt in für Konzerttourneen zusammengestellte Bands und bringt seit über zehn Jahren Schallplatten unter seinem Namen heraus, dabei handelt es sich immer um Eigenkompositionen. Seit den 80er Jahren vermehren sich Angebote und Aufträge, Film- und Fersehmusiken zu schreiben und zu produzieren. "Die ersten Aufnahmen meines Piano-Spiels, die ich mit einem einfachen Tonbandgerät gemacht habe, sowie die simplen Multiplay-Versuche waren damals eine entscheidende neue persönliche Erfahrung, die mich tief bewegt hat. Ich konnte gespielte Musik fixieren und reproduzieren und mich dadurch kontrollieren. Durch diese Möglichkeit des Feedbacks ist das eigene Komponieren auf jeden Fall forciert worden." Erste Bekanntschaft mit der Studiotechnik im allgemeinen machte Westernhagen bei Schallplatteneinspielungen in professionellen Tonstudios, und er wollte die kreative Arbeit mit Mehrspurtechnik, Mischpult und Effektgeräten nach Hause übertragen, um selbst damit zu experimentieren. So kaufte er sich eine 4-Kanal-Bandmaschine samt nötigem Zubehör und begann zusammen mit einem befreundeten Studiomusiker, eigene Musikstücke im Homerecording-Verfahren aufzunehmen. "Von meinem Partner, der damals schon sehr versiert im Umgang mit dem Aufnahmeequipment war, konnte ich eine Menge lernen. Wir experimentierten sehr viel mit der Vier-Kanal-Technik, mit Effektgeräten, und nutzten die verschiedenen akustischen Möglichkeiten des Hauses aus. Doch hauptsächlich bedeutete Homerecording für mich, Ideen aufbereiten und weiterentwickeln zu können, die später dann solo oder in der Band verwirklicht, aufgeführt und auf Platte eingespielt wurden. Eigentlich machte mir die Arbeit mit dem 4-Kanal-Gerät keinen richtigen Spaß, denn mein Equipment war einfach zu schlecht, besonders für qualitativ gute Aufnahmen mit dem Flügel, meinem Hauptinstrument. Das lag vor allem an fehlenden guten Mikrofonen, die für eine akzeptable Abnahme des Flügelklangs unvermeidlich sind. Hinzu kam ein anderes Problem: Meine Auftraggeber für Filmmusik, meist Sendeanstalten, wollten von mir fertiggestellte Masterbänder haben - die Produktion der Musik wird nämlich von ihnen nicht finanziert. Um nun aus Kostengründen diese Arbeit zu Hause verrichten zu können, brauchte ich auf jeden Fall mehr als nur vier Spuren; außerdem mußte die Tonqualität einem gewissen Standard genügen." Nicht zuletzt aus diesem Grund richtete sich Thilo von Westernhagen zu Beginn der 80er Jahre in seiner Wohnung ein kleines 8-Kanal-Studio ein, mit entsprechend größerer Bandmaschine, Mastermaschine, Mischpult, erstklassigen Mikrofonen, Hall- und Echo-Geräten sowie vielen kleinen effektiven Accessoires. Nun konnte er anspruchsvolle Demos für weiterreichende Verwendungszwecke erstellen, mit klanglichen und räumlichen Bearbeitungen experimentieren und eben komplette Filmmusiken produzieren. "Für die Filmmusiken reichen mir acht Spuren aus, da ich kein Schlagzeug verwende, das normalerweise mindestens vier Tonspuren 'verschlingt'. Seit jeher arbeite ich mit Gastmusikern: mit Gitarristen, Bassisten, Bläsern und sogar mit Streichquartetten für den authentischen Streichersound. Ich selbst bediene die Tasteninstrumente - vom Flügel bis zum Synthesizer - und spiele einzelne Parts auf Vibraphonen, Marimbaphonen oder verschiedenen Percussion-Instrumenten ein."
Es ist bei Westernhagen eine Frage der Musizierform,
welche Aufnahmemethode er jeweils bevorzugt:
"Handelt es sich um mehr improvisierte Musik, wie bei
Jazz-Stücken in der Band oder solo am Flügel, übertrage
ich die Aufnahme-Leitung lieber einem erfahrenen Toningenieur.
So ist man als Musiker freier, da man sich um
den ganzen technischen Kram nicht zu kümmern braucht.
Notierte Vorgaben, z.B. ausgeschriebene Themen oder
festgelegte Ablaufschemen, bleiben 'mit ihren Irrtümern'
eher stehen als bei Homerecording-Aufnahmen.
Wenn Veränderungen vorgenommen werden, geschieht das in
Gruppenarbeit: Verbale und musikalische Kommunikation
der Musiker untereinander läßt die Musik entstehen.
Im Laufe der 80er Jahre bezog Westernhagen immer mehr
elektronische Instrumente und Geräte in sein
Homerecording-Equipment mit ein. So arbeitet er mittlerweile mit
poliphonen Synthesizern, einem Sound-Sampler, digitalen
Hall- und Echogeräten, Transposer- und Excitereffekten
sowie gelegentlich mit Drumcomputer-Klängen und
sequencergesteuerten Figuren:
Das Hallgerät mit seiner Fähigkeit, Raumillusionen zu
schaffen, hält Westernhagen für das wichtigste periphere
Gerät in seinem Heimstudio: Klangsteuernde Geräte wie Sequencer und Drumcomputer setzt Westernhagen sehr selten ein. Er läßt den Sequencer gelegentlich kleine ostinate Figuren auf einem Synthesizer steuern; vom Drumcomputer benutzt er die Klänge, "nur um kleine Punkte zu setzen", der Ablauf programmierter Patterns interessiert ihn nicht. "Nie würde ich mein Tastenspiel vom Sequencer korrigieren oder quantisieren lassen, Unebenheiten und kleine Fehler will ich mit in die Aufnahme 'reinbringen, sie sind Bestandteil meines Feelings und meines Ausdrucks. Das schrittweise Vorgehen beim Programmieren, z.B. das Zusammenstückeln von Songs, liegt mir nicht. Bei direkten Aufnahmen, die in einem Durchgang laufen, wird der Spielfluß gewahrt. Ich halte das für sehr wichtig."
Grundsätzlich betrachtet Thilo von Westernhagen sein
Homerecording-Equipment als "Erweiterung und Hilfsmittel
in jeder Form". Es kann Zeit und Kosten sparen und
macht oft andere Musiker überflüssig: Das Heimstudio
als bequeme technische Hilfe.
Eine musikalisch-inhaltliche Bereicherung sieht er vor
allem im klanglichen Experimentieren:
(50, Musiker und Professor für Laser-Physik in Berlin) Hubertus von Puttkamer spielte bis zum Ende seiner Studienzeit Gitarre in Tanzmusik- und Jazz-Formationen. Während seiner Promotionsphase konnte er rein zeitlich nicht mehr weiter Musik machen und hatte zudem das Gefühl, sich "sattgespielt" zu haben.
Als er um 1970 die Elektronik-Bands AGITATION FREE,
TANGERINE DREAM und SUN RA hörte und auch persönlich
kennenlernte, wurde er zum ersten Mal mit dem Klang
des Synthesizers konfrontiert: Das Interesse an Musik war geweckt worden wie nie zuvor, und bald danach experimentierte Puttkamer zu Hause mit einem eigenen kleinen Synthesizer. Sein wissenschaftlicher Drang warf dabei viele Fragen auf ("Wie kommt das? Wie kann's denn sein?"), die er zu beantworten versuchte, indem er sich über verfügbare Literatur ein Fachwissen aneignete, um elektronische Musik systematisch verstehen zu lernen. "Neben dem analytischen Vorgehen beim Experimentieren kamen oft Situationen, wo ich mich an einem Klang regelrecht 'besoff', mich durch ihn verführen und weitertreiben ließ und dabei eine gute Zeit hatte. Ich entwickelte also sowohl auf systematischem als auch auf spielerischem Wege meine Klänge. Der Synthesizer wurde zu meinem persönlichen Instrumentarium, nicht etwa um mich emotional auszudrücken - da greife ich nach wie vor lieber zur Gitarre - , sondern um 'Soundlandschaften zu erobern' - aus gespannter Neugierde heraus. Ich hatte durch den Synthesizer endlich ein für mich erschwingliches Mittel gefunden, die 'Klangfarbenmelodie' - wie Schönberg es so schön sagte - zu erforschen. Die herkömmlichen Postulate der Musik, wie Melodie, Harmonie und Rhythmus, habe ich immer für weniger wichtig erachtet." In den 70er Jahren begann Puttkamer mit Hilfe der Mehrspurtechnik "Klangatmosphären" zu komponieren und aufzunehmen. Auf einer Vier-Kanal-Maschine erstellte er u.a. Musik, die speziell für Austellungen in Galerien oder für Experimentalfilme konzipiert war. Dabei wurden die im Homerecording-Verfahren produzierten Tonbänder als Endprodukt verwendet. Mittlerweile arbeitet Puttkamer mit einer Acht- Kanal-Bandmaschine nebst einem Computer-Sequencer. Zur klanglichen Bearbeitung stehen ihm ein Mischpult, Equalizer, digitale Hallgeräte und einige andere Effekte zur Verfügung.
Das elektronische Instrumentarium hat sich mit den
Jahren ebenfalls erweitert: Poliphone Synthesizer und
ein Sound-Sampler kamen hinzu: "Bei der Realisierung eines Klanges gehe ich oft unterschiedliche Wege: Manche phantastischen Klangvorstellungen erreiche ich durch Probieren, indem ich mich einfach treiben lasse, oder auch, indem ich serielle Zahlenkombinationen einprogrammiere und mir dann anhöre, wie es eigentlich klingt. Ein anderer Weg ist, daß ich bewußt und systematisch einzelne Klangparameter verändere. Oder ich verfremde Naturklänge, transponiere sie, forme sie auf ein bestimmtes Ziel hin. Oft habe ich jedoch keine Komposition im Kopf und deswegen auch keinen speziellen Verwendungszweck. In diesem Fall archiviere ich die Sounds, produziere sie praktisch 'auf Halde'. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn ich an einem Musik-Stück arbeite, kann ich dann auf gesammeltes Material zurückgreifen. Das Aufnahmeequipment dient also nicht nur zum Komponieren, sondern auch zum Festhalten gespielter Klänge oder Klangabfolgen."
Hubertus von Puttkamer sieht sich als "... Wanderer
zwischen zwei Welten, der für den reinen Musiker zu
unbegabt ist und für den reinen Techniker zuviele
'Flausen' hat."
In seinem Heimstudio arbeitet Puttkamer allein. Wenn
er Lust hat, zu spielen oder zu experimentieren, kann
er das zu beliebiger Zeit tun, ohne auf Mitmusiker
angewiesen zu sein. "In den letzten Jahren habe ich in meinem Heimstudio zwei Tonband-Werke komponiert, die als Performance aufgeführt wurden. Dabei spielte ich zusammen mit einem anderen Musiker live dazu, um die Musik durch Improvisiertes zu ergänzen. In diesen Situationen fand die Rückkoppelung mit Äußerem statt: Mit dem Mitmusiker und dem Publikum. Doch das sind Ausnahmen, denn in der Regel spiele ich alleine für mich. Und: Beim Homerecording zählt für mich nicht nur das Produkt, sondern auch, wie es zustande kam."
In diesem Kapitel soll versucht werden, Gemeinsamkeiten
und Unterschiede der acht vorgestellten Homerecordisten
aufzuzeigen, eventuelle Tendenzen festzustellen sowie
mögliche Typisierungen einzelner Personen oder
Personengruppen vorzunehmen.
Beim Vergleich der acht Homerecordisten miteinander kann man deutlich zwei Gruppierungen unterscheiden: a) Die erste Gruppe besteht aus vier Musikern (Günther, Lindinger, Schäfer und Westernhagen), die instrumental nach klassischer Schule ausgebildet worden sind - sie werden nachfolgend auch 'Notisten' genannt. Ihre frühmusikalische Ausbildung hat technische Fertigkeiten geschaffen, musikalische Spiel- und Hörerfahrungen vermittelt und stellt eine entscheidende Grundlage für ihr musikalisches Tun dar. Auch wenn sich diese Personen mittlerweile in Jazz- oder Popbereichen bewegen, ist der Einfluß ihrer ersten musikalischen Phase auf die derzeitige mehr oder weniger stark vorhanden. Alle Musiker (3 Pianisten, 1 Gitarrist) behielten das anfangs erlernte Instrument bis heute als Hauptinstrument bei, der Umgang mit Synthesizern und E-Gitarren z.B. ist durch 'klassische' Spielweisen und -techniken auf Klavier bzw. akustischer Gitarre geprägt. b) Die zweite Gruppe, die in der Untersuchung ebenfalls von vier Musikern gebildet wird (Luhrmann, Frankenberg, Oertel und Puttkamer), besteht aus reinen 'Autodidakten'. Im musikpraktischen Sinne sind sie nicht mit traditioneller Musik aufgewachsen oder instrumental ausgebildet worden, sondern haben ihr Instrument hauptsächlich im Selbstudium gelernt, motiviert und geprägt von populären Musikformen sowie mit dem Ziel, in Rock- oder Jazzbands spielen zu können. Diese Gruppe umfaßt 3 Schlagzeuger und einen Gitarristen. Was aufnahmetechnisches Wissen und Können anbelangt, sind alle aufgeführten Homerecordisten grundsätzlich Laien gewesen, bevor sie sich mit Beginn ihrer aktiven Heimstudio-Zeit nach und nach das notwendige Studio- Know-How angeeignet haben: Entweder anhand von Fachliteratur, durch eigenes Probieren oder im Erfahrungsaustausch mit anderen Homerecordisten.
Die Autodidakten forderte nicht zuletzt das Homerecording-Verfahren
dazu heraus, weitere Instrumente zu
erlernen, um sie u.a. bei ihren Aufnahmen einzusetzen.
Es fällt auf, daß sich die Musiker besonders für das
Tastenspiel interessierten:
Die Notisten beschäftigten sich kaum mit fremdem
Instrumentarium. Der Grund dafür ist wiederum in der
Vorherrschaft der Tasteninstrumente zu sehen, die im
Homerecording-Bereich weite Verbreitung gefunden haben.(259) Die meisten der vorgestellten Homerecordisten haben besonders im Anfangsstadium ihrer Heimstudio-Zeit mit diversen Musikinstrumenten oder anderen Klangerzeugern (z.B. Haushaltsgeräte o.ä.) spielerisch experimentiert. Die Musiker fühlten sich dazu angeregt, ihnen bislang 'fremde' Instrumente einfach auszuprobieren und in ihrer Musik einzusetzen. Ohne Zeitdruck konnten einzelne Parts geübt, ausgearbeitet, aufgenommen und korrigiert werden. Gerade Instrumente, die sie im Grunde nur unzureichend beherrschten, wurden dabei oft sehr phantasievoll gespielt und unkonventionell eingesetzt.(260)
Homerecording-Aufnahmen erfordern in der Regel einen Arbeitsplan, um die Spurenaufteilung sinnvoll vornehmen zu können und die Reihenfolge der einzuspielenden Instrumente festzulegen. Z.B. wird bei der Produktion eines Pop-Songs im ersten Arbeitsgang gewöhnlich der Drumcomputer programmiert und auf eine Spur aufgenommen, da sich alle weiteren Instrumente auf den rhythmischen Unterbau beziehen. Gesang und Soloinstrumente dagegen werden meistens nach allen anderen Stimmen als letztes eingespielt, da der Musiker für diese schwierigeren Parts das vollständige Playback braucht, um sich optimal entfalten zu können. Auch werden Solo-Spuren häufiger erneuert und verändert sowie oft speziell klangtechnisch bearbeitet (z.B. durch Hall- oder Echoeffekte), so daß sie zweckmäßigerweise zuletzt vorgenommen werden.(261)
Alle Homerecordisten, so auch die hier vorgestellten,
entwickeln je nach Musikstück oder persönlicher Vorliebe
ihr eigenes individuelles Aufnahme-Konzept.
Sowohl die Notisten als auch die Autodidakten wechseln
bei der Realisierung ihrer Aufnahmen zwischen der systematischen
(planmäßigen) und der spontanen, spielerischen
Vorgehensweise ('Trial & Error'-Prinzip, 'sich treiben
lassen', vom 'Erstplan' abweichen), doch es bestehen
Unterschiede in der grundsätzlichen Entwicklungsweise
von Musik:
Trotz aller Annehmlichkeiten der vielen nachträglichen
Bearbeitungsmöglichkeiten - besonders präzise bei MIDI-
Sequencern - sehen Schäfer, Lindinger und Westernhagen
darin nicht nur einen Vorteil:
Die Autodidakten neigen wesentlich mehr als die Notisten dazu,
Homerecording als Kompositionswerkzeug einzusetzen und
das Studio als weiteres 'Musikinstrument' zu
verwenden.(264)
* eine Melodie oder ein Melodie-Fragment Diese erste musikalische Idee wird nun zunächst in Rohform aufgezeichnet und dann - quasi als roter Faden - weitergesponnen, indem der Musiker dazu improvisiert, ergänzende Stimmlinien schafft, verschiedene Instrumentierungen ausprobiert, Ablaufschemen verändert, einzelne Songteile (z.B. Strophe, Chorus) umstellt usw.. Dieses schrittweise Vorgehen beeinträchtigt den Fluß der Komposition nicht, da diese ja noch gar nicht existiert. Einer solchen Arbeitsweise liegt lediglich eine bestimmte verspürte Grundatmosphäre zugrunde oder eine abstrakte Ahnung, worauf die Musik hinauslaufen könnte.
Homerecordisten wie die zu untersuchenden vier Autodidakten
lassen - in stärkerem Maße als die Notisten -
etwas anderes fließen: Sind die Tonspuren eingespielt, kommt noch die Möglichkeit der individuellen klanglichen und räumlichen Bearbeitung hinzu, um die Musik zu formen. So entstehen mitunter selbstproduzierte Werke, die live gar nicht aufgeführt werden könnten und auch nicht sollen, da sie als charakteristische Solomusik-Stücke für sich stehen. Das Mastertape besitzt damit eine Eigenständigkeit und ist nicht unbedingt zur Reproduktion oder zur weiteren Verarbeitung bestimmt (z.B. als 'bessere' Aufnahme in großen Studios mit professionellem Gerät, oder livemusikalisch umgesetzt), sondern besteht als selbständige Homerecording-Aufnahme.
Hierzu die britische Musikerin Kate Bush, die ihr
eigenes Studio eingerichtet hat und prinzipiell wie ein
Homerecordist arbeitet: Es fällt auf, daß sich die größere Experimentierbereitschaft der Autodidakten auch bei der Verwendung von Effektgeräten ausdrückt: Musiker wie Luhrmann, Frankenberg, Oertel, Puttkamer (aber auch der Notist Westernhagen) beziehen in ihre Kompositionen klangliche Effekte als Stilmittel mit ein, z.B. durch bewußt deutlichen Einsatz des Hallgeräts oder der Klangfilter. Durch naive oder artfremde Handhabung von Technik und Musikinstrumenten gelangen sie zu unkonventionellen Aufnahmeweisen und besonderen Klangergebnissen.(268) Notisten hingegen wie Günther, Schäfer und Lindinger betrachten Hall- und Echogeräte mehr als Zusatz, um etwa das Klangbild abzurunden. Ihr Hauptaugenmerk ist auf herkömmliche musikalische Strukturen wie Melodielinien und Harmoniegefüge gerichtet. Betrachtet man die Entwicklung der Arbeitsweisen aller Homerecordisten über einen größeren Zeitraum hinweg - von den jeweiligen Anfängen im eigenen Heimstudio bis zur heutigen Zeit - so lassen sich mehrere gemeinsame Veränderungen feststellen:
* Das Heimstudio-Equipment wurde seit den Anfängen
stetig erweitert und erneuert, dabei hat digitale
Technik in Form von Effektgeräten, Synthesizern/
Samplern oder MIDI-Sequencern bei jedem der Musiker
Einzug gefunden: * Außer bei Günther und von Westernhagen sind die akustischen Instrumente weitgehend in den Hintergrund gedrängt worden. * Es ist eine deutliche Tendenz zu solistischer Arbeitsweise zu verzeichnen. Echtes Teamwork, z.B. bei Co-Produktionen mit befreundeten Musikern, findet heute nur noch sehr selten statt. Eingeladene Gastmusiker bekommen in der Regel einen bestimmten Part zugewiesen, den sie nach den Vorstellungen des Komponisten ausfüllen sollen. Lindinger, Frankenberg und Puttkamer haben Homerecording schon seit ihren Anfängen fast ausschließlich allein betrieben.
Untersucht man, zu welchem Zweck die Homerecordisten
ihre Aufnahmen herstellen und was das Verfahren an sich
für sie bedeutet, ist die Gruppeneinteilung in 'Notisten'
und 'Autodidakten' nicht mehr aufrecht zu halten, da zu
individuelle Ambitionen bei den einzelnen Personen
ersichtlich werden.
1. Musik zu machen
Zu 1) Alle acht vorgestellten Homerecordisten betrachten
die Arbeit im Heimstudio als neue Form, sich
musikalisch kreativ zu betätigen.
Zu selbst aufgenommenen Tonspuren zu spielen bedeutet
im Grunde, mit 'jemandem' zu musizieren
- in diesem Fall findet Rückkoppelung und Kommunikation
mit der eigenen Person statt. Jeder der Musiker kennt den Reiz, im Heimstudio auf spielerische Art 'Stimmungsbilder' zu schaffen und aufzunehmen, z.B. sphärische Klangschichtungen oder kleine, spontan entstandene Liedfiguren. Oft dienen solche Mitschnitte von "Self-Sessions"(270) zur Inspiration für weitere Verwendungen (z.B. spätere Kompositionen).
Zu 2) Bei der Realisierung von Kompositionen durch
das Homerecording-Verfahren, ganz gleich, ob
nach vorgefaßtem Plan ausgeführt oder während
der Aufnahme-Arbeit entstanden(271), ist das Masterband
als Endprodukt das vorrangige Ziel.
Bei der Betrachtung der allgemeinen musikalischen Entwicklung
der einzelnen Personen seit Beginn ihrer Heimstudiozeit
läßt sich feststellen, daß Homerecording
Einfluß auf herkömmliche Musizierweisen genommen oder
sogar neue Musikformen hervorgebracht hat.
Die vier Notisten verfolgen bis heute weitgehend denselben musikalischen Weg, den sie schon vor ihrer Homerecording-Zeit gegangen sind. Das Live-Spiel bzw. die Live-Umsetzung durch andere (z.B. Günthers Werke) nimmt nach wie vor einen hohen Stellenwert ein, dabei hat sich der Musikstil grundsätzlich nicht verändert. Vermutlich würden diese Personen auch ohne Heimstudio- Erfahrung heute eine sehr ähnliche Musik spielen. Doch sind einige Auswirkungen des Homerecording auf ihre jeweilige musikalische Arbeit zu erkennen: Eckhardt Günther konzertiert nach wie vor live als Solo-Gitarrist oder in Bands und läßt seine orchestralen Kompositionen von anderen Musikern aufführen. Sein Homerecording-Equipment dient ihm hauptsächlich als Arrangierhilfe. Bevor seine Werke von den entsprechenden Musikern einstudiert werden, kann Günther sie im Vorfeld überprüfen und gegebenenfalls verändern und optimieren. Homerecording läßt ihn variantenreicher arbeiten und ermöglicht durch die Nachkontrolle eine Perfektionierung seiner Musik. Seiner Meinung nach würde z.B. so manch interessantes Arrangement ohne die Probiermöglichkeiten in seinem Studio nicht entstehen können. Jan Schäfers Popmusik ist mittlerweile deutlich von der 'konstruierenden Vorgehensweise'(272) seiner Homerecording- Arbeit geprägt. Während er der Band früher Songideen im Rohzustand vorstellte, die dann im Kollektiv ausgefeilt und arrangiert wurden, liegt den Musikern heute meist ein komplett strukturiertes und arrangiertes Demo-Band vor, das Schäfer vorher im Alleingang aufgenommen hat. So fungieren die Mitmusiker wesentlich mehr als früher als Ausführende von Schäfers Kompositionen, da für ihr Spiel genaue Vorgaben (z.B. ausgearbeitete Basslinien, spezielle Synthesizer-Sounds) bestehen, die sie in der Regel auch nicht mehr verändern. Homerecording bietet Schäfer außerdem die Chance, sich unabhängig von der Gruppe als Solo-Künstler per Demo- Tape bei der Musikindustrie anzubieten, um eventuell einen Schallplattenvertrag zu bekommen. Ohne die Möglichkeit der solistischen Heimstudioarbeit wäre es für ihn wahrscheinlich nicht so einfach, eine so komplexe und klare Demonstration seines Könnens als Songschreiber und Musiker abzuliefern, es sei denn, er griffe wieder auf andere Musiker zurück, die eine Aufnahme nach seinen exakten Vorstellungen mitgestalteten. Für Mike Lindinger als professionellen Tanzmusiker stellt das Homerecording-Verfahren eine "enorme Arbeitserleichterung"(273) dar. Einzelne Stücke können zu Hause vorarrangiert und per Demo-Band weniger zeitaufwendig von der Tanzcombo einstudiert werden. Falls instrumentale Figuren (Baß, Keyboard-Harmonien oder Drumcomputer), die im Heimstudio in den Sequencer einprogrammiert worden sind, live abgespielt werden, läßt sich ein Konzert in reduzierter Bandbesetzung bestreiten. Der Ersatz von Musikern durch sequencergesteuerte Klangmodule hat zwei Vorteile: 1. Die Arbeit des Bühnenauf- und -abbaus wird erleichtert, Transportprobleme (Equipment und Musiker) werden vermindert. 2. Der einzelne Musiker bekommt einen relativ höheren Gagenanteil. Der Jazz-Komponist Lindinger nutzt das Homerecording- Verfahren, um komplexe Arrangements seiner Kompositionen zu erstellen, festzuhalten und nach Belieben zu perfektionieren. Falls ihm in Zukunft ein geeignetes Notendruck-Computerprogramm zur Verfügung stünde, könnte er Partituren dieser Stücke ausdrucken lassen und sich bei Verlagen als Komponist und Arrangeur anbieten - Homere- cording würde ihm eine Möglichkeit schaffen, seine Musik in Form von Software (Noten) kommerziell zu verbreiten. Bei Thilo von Westernhagen haben sich im Laufe der letzten Jahre zwei verschiedene musikalische Wege herauskristallisiert:
1. Fortführung der herkömmlichen Musik
2. Entwicklung eines neuen Musikstils durch Homerecording
- An den Aufnahmen arbeitet Westernhagen fast
ausschließlich allein und fühlt sich dazu angeregt,
verschiedene Instrumente selbst auszuprobieren
und einzuspielen - außer Synthesizern, Samplern
und Flügel vor allem diverse Percussion-
Instrumente. Insgesamt gesehen unterstützt und fördert das Homerecording-Verfahren Westernhagens Forscher- und Entwicklungsdrang, erweitert sein musikalisches Betätigungsfeld und läßt ihn zu Hause fertige Produktionen erstellen, die als Mastertape an Film-/Fernsehanstalten oder Schallplattenfirmen verkauft werden. Das unabhängige Arbeiten im Heimstudio trägt so mit dazu bei, daß Westernhagen als Musiker finanziell gesichert leben kann.
Im Vergleich zu den Notisten hat sich bei den Autodidakten
durch die Beschäftigung mit Homerecording deutlich
ein erweitertes Musikverständnis und damit ein für
sie neuer musikalischer Weg herausgeschält. Livemusikalische
Aktivitäten treten zugunsten intensivierter
Heimstudioarbeit mehr in den Hintergrund. Die Art und
Weise, wie diese Personen heute Musik praktizieren -
bezüglich der Herangehensweise, des Musikstils und der
Instrumentenwahl - wäre ohne Homerecording kaum denkbar.
Manche neue Betätigungsfelder wurden erst mit Hilfe
eines eigenen Studios möglich.
Joachim Luhrmann arbeitet nicht mehr wie früher in
einer festen Band, sondern betätigt sich gelegentlich
als Tournee- oder Studioschlagzeuger für andere Musiker.
Die Arbeit im Heimstudio hat deutlichen Vorrang gewonnen.
Musikstücke zu komponieren, sie selbst einzuspielen
und zu produzieren, bedeutet für Luhrmann eine neue Form
musikalischer Freizeitbeschäftigung. Gelegentlich ergibt
sich durch den Verkauf von solchen Produktionen eine
zusätzliche Einnahmequelle (z.B. Musik zur Video-Untermalung). Ulrich Frankenberg ist es durch Homerecording möglich geworden, unabhängig von anderen Musikern einen eigenen Musikstil herauszuarbeiten. Sein Musikverständnis hat sich durch die intensive Beschäftigung mit ihm bislang fremden Instrumenten (Keyboards, Gitarre, Saxophon) auf harmonische und melodische Bereiche hin ausgeweitet, die Rolle und Funktion seines Schlagzeugspiels ist dabei für ihn neu definiert worden. In Ruhe experimentiert Frankenberg zu Hause an der "meditativ fließenden Klangmusik"(275), die er zukünftig per Demo-Aufnahmen anderen Musikern vorstellen möchte, um sie in einer Band live zu realisieren. So gesehen würden sich durch Solo-Homerecording gewonnene Erfahrungen und entwickelte Spielweisen direkt auf Live-Projekte mit einer Gruppe auswirken. Bei Christoph Oertel hat Homerecording sehr deutlich eine Abwendung von früheren Musikformen und -stilen hervorgerufen und den Beginn einer neuen musikalischen Schaffensphase eingeleitet. Durch die planende und additiv gestaltende Vorgehensweise des Mehrspurverfahrens und das Experimentieren mit den verschiedensten Instrumentierungen ist Oertels strukturelles und harmonisches Vorstellungsvermögen von Musik sowie das Erkennen und Einordnen von musikalischen Zusammenhängen geschult worden - unter anderem wurde ihm damit auch der Zugang zu traditioneller und moderner sogenannter 'E-Musik' erleichtert.(276) Über experimentelles Arbeiten mit Musikelektronik (Sampler, Computer, Hall-/Echogeräte usw.) gelangte Oertel ebenfalls zu einer ihm neuen musikalischen Ausdrucksform. Praktische Homerecording-Erfahrungen und ein erweitertes Musikverständnis gaben ihm das Zutrauen und die Fähigkeit, sich von der begleitenden Rolle des Bandschlagzeugers zu lösen und eigenkreativ schöpferisch tätig zu werden(277), u.a.:
Das Homerecording-Verfahren hat dem Autodidakt Oertel über mehrere Jahre hinweg dazu verholfen, seinen eigenen musikalischen Weg zu finden und zu verfolgen. Erste verwirklichte Musik-Produktionen für Spielfilme sind ein Zeichen dafür, daß er durchaus seinen professionellen Ambitionen gerecht werden könnte. Schon vor seiner Heimstudio-Zeit hatte sich Hubertus von Puttkamer von früheren Live-Aktivitäten (Jazz- und Tanzmusik) abgewendet und sein Interesse auf Synthesizer-Musik gerichtet. Nach wie vor experimentiert er mit elektronischen Klangerzeugern, die ihn dazu animieren, "Soundlandschaften zu erobern"(278) und ihm ein neues Betätigungsfeld eröffnet haben. Das Homerecording-Verfahren unterstützt diesen musikalischen Weg, Klangmusik zu schaffen und ermöglicht Puttkamer die ausschließlich solistische Arbeitsweise zu ihm beliebiger Zeit:
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